Die Neue

„Wann können Sie anfangen?“, fragte der Herr Onkologe Logner am vergangenen Freitag, nachdem er mir den neuen Star am Lugner`schen Chemo- Himmel, *tadaaa-Trommelwirbel- großes- Geschrei*, Eribulin, vorgestellt und angepriesen hatte. Was man so liest, ist das Zeug wie für mich gemacht. Also erfüllt meine, äh, Krebs- und Behandlungs- Vita jedes Kriterium dafür. Wenn wir aber ganz ehrlich sind, der Herr Logner und ich, müssen wir anerkennen, dass es der Optionen mittlerweile ohnedies nicht mehr viele gibt. Optimistisch ausgedrückt. Momentan nämlich außer der, auf die die Wahl der Tumorboard- Beteiligten fiel, nur noch eine weitere. Und die erhielt den Zuschlag nicht, weil deren Nebenwirkungen zu sehr denen der Pusteblume ähneln. Die übt übrigens gerade Rache, die Pusteblume. In Form von bösen Hautreaktionen, die bei sengender Hitze besonders unschön sind.

Meine Antwort jedenfalls war: „Montag.“ Worauf auch warten? Im Thema bin ich ja bereits seit Monaten. Wie das Mittel heißt, das da in genau bemessenem Zeitabstand in mich hinein tropft, ist doch einerlei. Immer her damit! Wenn`s schee macht… Ach, apropos „schön“: Meines Haares werde ich dann wohl dieses Mal wirklich verlustig gehen. Ziemlich sicher, ver-äh- sicherte mir der Onkologe. Nicht, dass ich darüber Luftsprünge vollführen wollte. Da sich der neueste Befund aber liest, als ginge es mir jetzt aber mal ordentlich an den Kragen, verlieren solche Äußerlichkeiten erstaunlich an Bedeutung. Um meine Frisur getrauert habe ich ja gottlob schon vor einem Jahr, als ich Alopezie als Nebenwirkung einer i.v.- Zytostase quasi voraussetzte und mich mittels einer Nagelschere von meinem damals kinnlangen Bob trennte. Bisschen peinlich ist mir dieses Mißverständnis ja immernoch. Wenn ich jedoch  bedenke, dass, hätte ich nicht eingegriffen, meine Frisur in der Zwischenzeit auf Schulterlänge gewachsen wäre, bin ich doch sehr froh um den Irrtum. Das Schlimmste habe ich so nämlich einfach hinter mir.

Eribulin. Hat gegenüber der Pusteblume einige Vorteile. Unter anderem kostet die Applikation nicht einen ganzen Vormittag Zeit. Im Roten Sessel habe ich gestern alles in allem eine halbe Stunde verbracht. Dann lief ich schwungvoll aus der Praxis, setzte mir schon im Treppenhaus die Sonnenbrille auf die Nase- die Sonne brüllte sich ja nachgerade die Seele aus dem Leib-, dachte noch bei mir: Och, ich merk ja gar nix. Und schon lag ich auf derselben. Der Nase. War nämlich die Treppe herunter gefallen. Oh nein, nicht, weil mein Kreislauf schlapp gemacht hätte. Ich hatte wegen der Sonnenbrille eine Stufe übersehen. Nun merkte ich doch etwas. Wie mir die Schamesröte ins Gesicht stieg. Denn selbstverständlich war mein Sturz nicht unbeobachtet geblieben.

Damit wäre wohl der Beweis angetreten, dass auch diese Chemo nicht vor Blödheit schützt.

So. Und nun tapfer zum Frisör. Bei diesen Temperaturen stören Haare doch nur. Also runter mit der Matte! -.-